Presseerklärung vom 02. Jan. 2011:
Ist Akupunktur Kultur oder Medizin?
Die UNESCO hat die Akupunktur in die Liste des "Immateriellen Weltkulturerbes" aufgenommen. Damit torpediert sie die Bestrebungen, die Akupunktur wissenschaftlich zu fundieren - und sie missachtet ihre eigenen Statuten.
Am 16. November 2010 teilte die UNESCO in Nairobi mit, dass sie auch die Akupunktur in die "Representative List of the Intangible Cultural Heritage of Humanity" aufgenommen habe. Damit hat die UNESCO 1) den Sinn der "Konvention zum Schutz des immateriellen Kulturerbes" aus den Augen verloren; 2) in einer strittigen Grundsatzfrage einseitig Position bezogen und damit der Weiterentwicklung der Akupunktur schweren Schaden zugefügt.; 3) grundlegende Kriterien der Kulturerbe-Konvention von 2003 verletzt.
1) Der Sinn der "Immateriellen Weltkulturerbe-Liste" Zur Erinnerung: Die UNESCO-Erklärung von 2003 heißt nicht "Konvention zur Auflistung der Weltkultur", sondern "Konvention zum Schutz des immateriellen Weltkulturerbes". Sie ist weder Inventar noch Rangliste, sondern soll bedrohte Kulturformen schützen. Schon dass 2009 der Tango in die Liste aufgenommen wurde, obwohl er seit Jahren einen weltweiten Boom erlebt, war eine Fehlentscheidung. Noch absurder war 2010 die gleichzeitig mit der Akupunktur erfolgte Aufnahme der französischen Küche. Beides zeigt, dass die UNESCO das Ziel des "Schutzes bedrohter Kultur" zunehmend aus den Augen verliert.
2) Die UNESCO hat in einer strittigen Grundsatzfrage einseitig Position bezogen und damit der Weiterentwicklung der Akupunktur schweren Schaden zugefügt. Im Fall der Akupunktur ist die Fehlentscheidung noch gravierender. Sie ignoriert, dass die Akupunktur inzwischen weltweit zum wichtigsten Verfahren der komplementären Medizin geworden ist - als Medizin, nicht als Kultur. In Ländern wie Deutschland (1 Akupunkteur auf 2000 Einwohner) ist sie inzwischen wichtiger als in China selber (1 Akupunkteur auf 4000 Einwohner). Dennoch hat Chinas State Administration of Traditional Chinese Medicine (SATCM) die Eintragung in die Kulturerbe-Liste beantragt, ohne die ausländischen Akupunkteure auch nur nach ihrer Meinung zu fragen. Dies zeigt, dass man in China gar nicht daran denkt, die ausländischen Akupunkteure als gleichberechtigte Partner anzuerkennen. Aber auch in China wird seit langem erbittert darüber gestritten, ob die TCM primär als Kultur oder primär als Medizin zu gelten habe. Dies ist eine entscheidende Frage. Denn Kultur trägt ihren Wert in sich und ist als solche bewahrenswert. Medizin hingegen dient einzig dem Wohl des Patienten und muss, wenn neuere Erkenntnisse dies verlangen, jederzeit zur Revision aller ihrer Aspekte bereit sein. Akupunktur primär als Kultur zu definieren, heißt, sie in wesentlichen Aspekten (wie dem in der UNESCO-Begründung ausdrücklich erwähnten "Meridiansystem") für unveränderbar zu erklären. Im Streit zwischen Progressiven und Reaktionären in der TCM ist dies die Position der Reaktionäre. Damit hat die UNESCO der Weiterentwicklung der Akupunktur schweren Schaden zugefügt.
3) Die Entscheidung der UNESCO verletzt ihre eigenen Statuten Dass die UNESCO hier einseitig die Position der Reaktionäre ergriffen hat, ist nicht nur ein Zeichen ihrer Inkompetenz. Noch schwerwiegender ist, dass sie dies unter Missachtung ihrer eigenen Statuten getan hat. Die Kriterien der Kulturerbe-Konvention verlangen in Regel 4 ausdrücklich the widest possible participation of the community, group or, if applicable, individuals concerned and with their free, prior and informed consent. Diese Bestimmung wurde in krasser Weise missachtet. Der Antrag, die Akupunktur in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes einzutragen, wurde auch in China nirgends öffentlich diskutiert. Mehr noch: Er wurde nicht einmal öffentlich bekanntgegeben. Von einer widest possible participation konnte keine Rede sein, noch weniger von free, prior and informed consent. Dass die Akupunktur trotzdem in die Kulturerbe-Liste eingetragen wurde, zeigt zweierlei: a) Die "Liste des immateriallen Weltkulturerbes" verkommt zunehmend zu einer Aufzählung regionaler Highlights, die wie bei Tango, Akupunktur und französischer Küche vor allem dem nationalen Image und dem touristischen Marketing dienen. b) Statt die Aufgabe zu erfüllen, die ihr von der Weltgemeinschaft übertragen wurde, kuscht die UNESCO vor dem Geltungsbedürfnis von Politikern (wie bei Sarkozy und der französischen Küche) oder vor den Funktionären mächtiger Staaten (wie bei der Akupunktur und der SATCM). Dass sie dies unter Verletzung ihrer eigenen Statuten tut, ist ein Zeichen zunehmender innerer Korruption.
Stellungnahmen der kommerziellen deutschen Akupunkturgesellschaften sind zu erfragen bei: - Wolfram Stör, Deutsche Ärztegesellschaft für Akupunktur, München - Wolfgang Opitz, Deutsche Akupunktur Akademie, München - Carl-Hermann Hempen, Internationale Gesellschaft für chinesische Medizin, München - Rainer Wander, Deutsche Gesellschaft für Akupunktur und Neuraltherapie, Elsterberg - Fritz Friedl, Dt. Ges. f. d. Dok. v. Erf.mat. d. chin. Arzn.th., Reitmehring-Wasserburg - Gabriel Stux, Deutsche Akupunktur Gesellschaft, Düsseldorf - Gansgar Römer, Pro Medico GmbH, Mutterstadt.
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